Marie Wiesenhain liest: „Hilda *60 – Untiefen“, 2025
Die sechzigjährige Protagonistin Hilda versucht erinnernd zu begreifen, was ihr in jungen Jahren in ihrer Familie geschehen ist. Bis zu ihrem 11. Lebensjahr wuchs sie gemeinsam mit drei Geschwistern in einer bürgerlichen Familie auf. Den Eltern, die den Zweiten Weltkrieg in ihren Jugendjahren erlebt hatten, gelang kein harmonisches Familienleben. Die Mutter kann, wohl resultierend aus einer eigenen psychischen Störung, keinen Halt und Wärme geben.
1971 wurde Hilda von zu Hause weggegeben. Sie kam in den Haushalt ihrer Tante und deren Ehemann, einem Lehrer-Paar. Dort erlebte sie sexuelle Übergriffe durch den Pflegeonkel. Mit 17 Jahren gelingt ihr der Weggang.
Im Schreibprozess nähert sich Hilda ihrer eigenen (Familien-) Geschichte an.
Die Erinnerungen ihrer Kindheit und Jugend werden durch Fotografien und Briefe vorangetrieben. Verdrängungen offenbaren sich. Immer klarer treten die Auswirkungen und Bezüge zum gegenwärtigen Leben in Erscheinung. Neue Informationen aus der Familie über den Onkel tauchen auf, die Hilda bestärken. Das Schreiben wird zu einem Reifungs- und Heilungsprozess. Die Gedanken des Alterns ziehen durch den Text.
„Familiengeschichte, die ich verschlungen habe, von Erinnerungen vorangetriebene, oft längst verdrängte Bilder, spannend und berührend … schon einer ihrer ersten Sätze geht unter die Haut: ›Jetzt alles aufzuschreiben, ist so, als müsse noch aufgeräumt werden, bevor man aus dem Haus geht‹ sagt sie und schlägt das Fotoalbum auf. Eine Geschichte, die einen anfasst, wie selten ein Buch … Stimmungen, Gefühle, Bilder, die verschüttet, verdrängt, ad acta gelegt worden waren und die nun wieder sichtbar im Raum stehen.” – Christoph Huppert, Redaktionsbüro Zeilensprung
„Ein mutiges und starkes Buch, das aufzeigt, wie die Vergangenheit bis in die Gegenwart wirkt. Es offenbart sowohl die individuellen als auch die gesellschaftlichen Mechanismen von Vertuschung – authentisch und unprätentiös, radikal persönlich und zugleich erschreckend universell.“ – Christina Gößling-Arnold (Literaturwissenschaftlerin)
Die Lesung wird durch ein Konzert mit Gitarre und Gesang ergänzt.
Die Veranstaltung findet als Hutlesung statt, Eintritt frei.



